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Ein Berufszweig, der früher gut gelebt hat, mit dem ich heute aber nicht mehr tauschen möchte, sind Krawattenverkäufer. Wer bindet sich denn den berühmten „Kulturstrick“ heute noch um? Zu Tausenden hängen die Binder daheim in den Kleiderschränken und sehen Tageslicht wahrscheinlich nie mehr wieder. Nicht ungefährlich, gilt die Krawatte doch tatsächlich als „das am seltensten gewaschene Kleidungsstück des Mannes in Deutschland“. Meistens sind die Knoten noch gebunden, wenn die Schlipse ungebraucht jahrelang in den Schränken hängen. Klein- und Kleinstlebewesen feiern fröhliche Urständ. Aber einmal im Ernst: wie man sich heute selbst zu den feierlichsten Anlässen kleidet, spottet mehr und mehr jeder Beschreibung. Geschäftsbesuch, Weißer Sonntag, Konfirmation, Taufe oder Hochzeit: früher gar keine Frage, dass man sich dem Anlass entsprechend schön und feierlich angezogen hat und so dem Fest die nötige Ehre erwiesen hat. Es hat sich einfach so gehört. Und heute? Die Leute kommen zu Betriebsfeiern in feinstem Ambiente („Drömmrömm“) oder zu sonstigen Feierlichkeiten zum Teil wie aus dem Wagen heraus - und keiner regt sich darüber auf! Alles, wirklich alles ist erlaubt. Ob das so schön und gut ist? Aber man muss sich heute ja über nichts mehr wundern. Die Generationen prallen aufeinander. Vor ein paar Wochen: Unwetterwarnung im Landkreis. Höchste Alarmstufe. Müssen die Wetterdienste heute machen, weil sie sonst von den Leuten belangt werden können. Ist heute aber anscheinend nötig. Früher, wenn wir Alten aus dem Haus sind, ist unser erster Blick zum Himmel gegangen. Kann ich fort? Muss ich einen Schirm mitnehmen? Bleibe ich lieber daheim? Je nachdem wie der Himmel ausgesehen hat, ist entschieden worden. Die Jungen? Gehen raus, schauen zwangsläufig nur nach unten (Smartphone, Generation „Kopf unten“) und sehen deshalb den Himmel und das Wetter nicht. Da brauchst du den Wetterdienst und die Unwetterwarnungen dringendst, weil du ja erst merkst, was wettertechnisch los ist, wenn es losgeht. Ja ja, die kleinen Kistchen. Was rennt man nicht daheim herum und sucht, wenn sie klingeln, klappern oder pfeifen, weil man wieder einmal nicht weiß, wo das Ding liegt. Hat neulich so ein junger „Dudderer“ gesagt: „Es gehört ein Telefon mit einem Kabel dran erfunden, dann wüsste man immer, wo es ist.“ Ganz blöd waren wir Alten damals nicht, oder? Servus, der Eustach. |